Oder ist es nach heutigen Gesichtspunkten eine Reise »Zurück in die Zukunft«?
An einem kühlen Tag im Oktober führt die (Zeit-)Reise in die Eifel, in das kleine Örtchen Karl-Urft.
Durch einen unscheinbaren, doch recht gut ausgebauten Weg geht es zu einem Einfamilienhaus. Vor dem Haus, etwas versetzt eine unscheinbare Doppelgarage. Lediglich ein überdachter Weg hinauf auf den Berg hinter dem Haus zieht ein paar wenige Blicke an. Das Ende des Weges kaum erkennbar.
Zeitreise in den Atombunker: Planspiele des Kalten Krieges
Hinter der Garagentür verbirgt sich der Eingang in eine andere Welt, eine Welt, die von dem, wo wir herkommen fast hermetisch abgeschlossen ist, wenige Zugänge für Strom oder einen Tiefbrunnen bilden die Ausnahme.
Die andere Welt ist ein Bunker, genauer ein Atombunker – und durch den Schutz gegen die radioaktive Strahlung ist der Bunker auch gegen andere Strahlung geschützt. So kommt auch keine Mobilfunkstrahlung in oder aus dem Bunker. Auch Teil der Zeitreise..
Einige Jahrzehnte zurück wäre es keine Gruppe von Fotografen, die in den Bunker einrückt – es wären Beamte gewesen. Beamte der Landesregierung Nordrhein-Westfalens, denn genau für diese wurde der Bunker erbaut.
ABC Schutzausstattung im Eingangsbereich zeugen von der anderen Welt – die uns bekannte Welt könnte für eine Zeit nur in Schutzkleidung betreten werden. Zu groß die Gefahr von radioaktivem Fallout getroffen zu werden.
Kehrt man zurück, so wartet nach dem Entkleiden direkt die Dekontamination, sodass keine Schadstoffe in den Bunker gelangen.
Was tun wenns brennt? – Der Ernstfall
Die Bunkerbesatzung – die Beamten des Landes NRW – werden in Düsseldorf in Busse gesetzt und in Richtung Eifel gefahren. Familien, Freunde, alles bleibt zurück. Keine Zeit für Verabschiedungen, im Hinterkopf das Wissen, dass die Welt nach Rückkehr eine andere sein könnte, das Wissen, dass Familie, Freunde und das bisherige Leben nicht mehr da sein könnten.
Der Fernschreiber rattert:
…achtung…achtung…
…wichtige Lagemeldung…
mehrere detonationen im ruhrgebiet
warnaemter geben in kuerze detaillierte informationen
vorbereitende maßnahmen sofort einleiten
es ist jetzt 13:05 Uhr.…ende der lagemeldung…
Übungsende!
Glücklicherweise handelt es sich nur um ein Übungsszenario und es muss weder im Lagezentrum beraten werden wie man eine größtmöglich Zahl an Menschen aus Gebieten mit radioaktivem Fallout evakuieren kann, noch müssen die Maßnahmen durch das integrierte Radiostudio des WDR an die Bevölkerung kommuniziert werden.
Auch im Krisenfalle müssen Dokumentationen aufrechterhalten werden, so mangelt es nicht am Arbeitsplatz mit Schreib- und Rechenmaschine.
Der Luxus des Ministerpräsidenten
Während der Großteil der Bunkerbesatzung sich die Übernachtungsmöglichkeiten teilten und Gemeinschaftsräume nutzten um zusammenzukommen, so gibt es ein Einzelzimmer. Recht spartanisch eingerichtet und doch mit dem größten Luxus im Bunker: Neben dem Bett gibt es einen Tisch, einen Stuhl und eine eigene Waschmöglichkeit – Das Zimmer des Ministerpräsidenten. Einem der wenigen Politiker, die in den Bunker eingerückt wären.
Geheim und doch bekannt – die DDR kannte den Bunker sehr gut
Regierungskreise der DDR kannten den Ausweichsitz der Landesregierung NRW sehr genau. Für den Fall der Fälle gab es im Bereich der NVA auch schon eine Anweisung mit welchen Worten der Ministerpräsident hätte festgenommen werden sollen:
»Herr Ministerpräsident, Sie sind Gefangener der Nationalen Volksarmee.«
Bei aller Geheimhaltung gibt es einige Gewerke, die das ganze Bauwerk kennen müssen, in dem Fall die Klimatechnik. Und genau hier schleuste die DDR einen Agenten ein, der alle Pläne in den Osten übermittelte.
Ein sehr spannender Blick in die Geschichte des kalten Krieges, in Zeiten wie diesen gleichzeitig ein Ort, der die eigenen Gedanken kreisen lässt.
Der heutige Eigentümer des Bunkers, Enkel des damaligen Bunkerwarts, bietet Führungen und Fototage an. Man merkt, dass man sehr viel Herzblut in den Bunker und den Erhalt der Infrastruktur und nicht zuletzt der Erinnerung steckt.
Nähere Infos dazu gibt es hier: https://www.ausweichsitz-nrw.de
Begleitet hat mich unter anderem Michael, der seine Sicht auf den Tag auf seinem Blog teilt – der Blick lohnt sich sehr!
1 comment
Comment by Matthias Weber
Matthias Weber 13. Januar 2025 at 16:29
Moin Stefan,
ich klicke mich gerade durch deine Homepage und bin sehr begeistert. Tolle Fotos und schöne Details. Die Bilder aus dem Bunker sind wirklich beeindruckend – teilweise erinnert mich das an die Zeit des Kalten Krieges in den 80er Jahren, teilweise sind sie aber auch lustig: Ein deutscher Bunker muss natürlich mindestens ein Verbotsschild haben.
Auch deine anderen Bilder und Texte laden zum Anschauen und Stöbern ein. Besonders schön fand ich deinen Beitrag über Duisburg, gerade weil ich mich da jetzt auch ein bisschen „auskenne“ und einige Motive auch fotografiert habe.
Ich bin gespannt, was hier noch so Schönes passiert. Man liest sich.
Gruß von 53 Grad 14′ N und 8 Grad 48′ O
Matthias