Bereits vor vielen Jahren lag „das Ticket“ auf dem Tisch – mein Ticket für die Reise nach Analogistan.
Mein Vater vererbte mir im Voraus sein Spiegelreflexequipment. Ich erinnere mich noch gut, als Kind mit meiner kleinen Kassettenkamera betrachtete ich Papas große Kamera, bei der man auch die Linsen wechseln konnte, auf die man einen Blitz stecken konnte immer mit großer Ehrfurcht.
Diafilme und -abende
In der Regel verschoss mein Vater Diafilme. Mit der Zeit sammelten sich so diverse Dia-Schuber für den Projektor in vielen kleinen Containern und ich fieberte immer wieder der kalten und dunklen Jahreszeit und den Diaabenden entgegen.
Retrospektiv ist es doch sehr interessant zu betrachten, wie sich das Interesse im Altersverlauf ändert. Im Kindesalter ist es hoch, nimmt mit steigendem Alter exponentiell ab bis es spätestens Mitte der 20er Lebensjahre am Tiefpunkt angekommen ist, um dann wieder zu steigen. Sicherlich nicht so exponentiell wie der Abfall, aber doch spürbar – kleine aufflammende Neugierde an den Bildern konnten dann im „Miniprojektor“ gestillt werden. Ein kleiner, batteriebetrieben hinterleuchteter Kasten, der einem das Bild des Dias angezeigt hat. So waren Verrenkungen, um das Dia ins Licht zu halten und das kleine Bild Geschichte.
Die Mahnung
Lange Jahre lag die Tasche mit Kamera und Zubehör unbeachtet in der Ecke. Immer wieder sagte ich mir selbst, dass es ja Quatsch sei analog zu fotografieren, man möchte ja sofort sehen, was man gemacht hat. Sicherlich eine in Teilen nachvollziehbare Argumentation in den eigenen Kinderschuhen.
Tja und dann kam die „Mahnung“, wenn man es so sehen möchte – mein Schwiegeropa vererbte mir weitere analoge Kameras. Eine Agfa Silette SL und eine Pentax ME wanderten zu mir. Die Pentax bot mir einen Riesenvorteil für den Einstieg in die analoge Fotografie: eine Blendenautomatik. So zeigt sie mir nicht nur an, ob ich über- oder unterbelichte, sie belichtet auch direkt mit der richtigen Dauer.
Die Reise startet – mit Pleiten, Pech und Pannen
Auf geht es auf die wilde Fahrt. Für den ersten Start gehts in den lokalen Drogeriemarkt und der erste analoge Film seit Jahrzehnte landet bei mir. Ein Agfa APX 100 soll es sein, zumindest möchte es das Schicksal so, denn die alternativen Kodak Gold Filme sind bereits ausverkauft. Die erste Tour führt die Pentax dann mit in den Regierungsbunker. Glücklicherweise habe ich sie nur zusätzlich zur X-Pro3 dabei:
Direkt nach dem Wochenende ging der volle Film auf die Reise ins Fotolabor, gespanntes Warten bis endlich eine Nachricht vom Labor im Posteingang lag – die Erlösung der Vorfreude? Leider eher die Ernüchterung.
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„Dein Film ist blank und beinhaltet kein einziges Foto.“
Was lief schief? Ist die Kamera kaputt? – Nein! Tatsächlich war ich anscheinend zu blöd den Film einzulegen, zu lange ist es her, dass ich es gemacht habe, das Verschenken eines einzelnen Bildes hätte gezeigt, wie es richtig ist – ich habs nicht geopfert.
Da die analoge Fotografie dennoch einen großen Reiz versprüht hat ging es weiter!
Aus Fehlern lernen? Ein guter Vorsatz
Wer einmal einen Fehler macht, den macht er kein zweites Mal, also ab zum Drogeriemarkt und diesmal einen Kodak Gold mitnehmen, wo der APX doch unter keinem guten Stern stand.
Ein nebliger Sonntag im Herbst bringt die Kamera und mich in den Dämmerwald, wo sich viele Farben – sei es das Grün des Grases oder die Mischung aus dem „goldenen“ Laub und den grünen Nadelbäumen, dichter Wald und große freie Flächen.
Eingebrannt haben sich mir die Bilder vom Laub, das von den Bäumen auf die freien Flächen geweht wurde und wie großes Konfetti durch die Luft zieht oder die Reiterin, die mit ihrer neongelben Jacke durch den braun-grauen Wald ritt.
In Richtung Auto gehend begann ich den Film zurückzuspulen. Ganz schön schwierig. Ist das Knacken normal? Naja, schauen wir mal zu Hause..
Zu Hause angekommen versuchte ich mein Glück erneut, nicht bewegte sich. Ambitioniert, aber ahnungslos versuchte ich den Film nochmal nach vorne zu transportieren, notfalls wird etwas doppelt belichtet – auch ohne Erfolg. Rien ne va plus – nichts geht mehr!
In völliger Verzweiflung öffne ich die Klappe und sehe, es ist nichts gespult. Schnell ist die Erkenntnis da, dass die Bilder nun hin sind. Der Film landet in Gänze in der Tonne.
Aber immerhin wurde der Film sauber weitertransportiert!
Also: Nochmal!
Doch nichts gelernt
Für meine Reise in den Harz bestelle ich mir einen Lomography Berlin Kino 400 S/W Film. Die Beispielbilder zeigen keinen lomographytypischen Farbstich, was mir den Film ansprechend erscheinen lässt.
Im dicken Nebel fahren wir los in Richtung Oberharz, an den Odersee – wo wir bei strahlend blauem Himmel ankommen. Das Wetter hat sich nicht verbessert, wir sind einfach hoch genug, über dem Nebel. Der komplette Rundweg ist so extrem vereist, dass man fast ausschließlich gleitend vorankommt, dennoch sollte der Film hier voll werden.
Ein Deja-Vu: auf dem Weg zum Auto begann ich den Film zu spulen. Es knackte wieder, der Widerstand war da, doch dieses Mal wollte ich den Film nicht zerstören, ich habe ja dazugelernt.
Also, ab nach Hause und in Ruhe spulen, dann kann auch nichts passieren.
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Long story short: der nächste Filmriss!
Geheimnisvoller Knopf
Bei genauerer Betrachtung der Kamera springt ein kleiner Knopf auf der Unterseite ins Auge und damit auch direkt ein Wort ins Unterbewusstsein: „Rückspulknopf“!
Kurz kam mir der Gedanke
„Wie kann man eigentlich so blöd sein?“
Um im Anschluss den örtlichen Drogeriemarkt aufzusuchen – ich brauche einen neuen Film!
Aus einem wurden zwei, diesmal Kentmere Pan 400 – wieder war es die Verfügbarkeit, die mir die Entscheidung abnahm.
Direkt zum ersten Spaziergang den Film geladen und mit Licht befüllt, voller Nervosität und Ehrfurcht, ob es denn wirklich sein sollte, dass das bisherige Scheitern an der eigenen Unfähigkeit gelegen hatte.
Knopf gedrückt, zurückgespult und das vollkommen widerstandsfrei, gefühlt minutenlang, damit am Ende nicht doch etwas übrig bleibt. Klappe auf – ein aufgewickelter Film im Container!!!
Die Euphorie ist geweckt!
Voller Euphorie habe ich den zweiten Film vollgemacht, die Bestellung für die Entwicklung ausgelöst und kaum die Tür in der Heimat durchschritten die Filme in den Umschlag gepackt, frankiert und in den Briefkasten gebracht.
Nun war Warten angesagt. Mit der Info, dass das Labor bis zum 10.01.25 geschlossen hat und es daher keine Statusupdates geben würde war klar, dass es ein wenig dauern wird, bis ich die Ergebnisse sehen kann.
Wenn holprig, dann richtig
Die große Hoffnung auf eine Mail, dass meine Filme in die Entwicklung gehen hatte ich für heute, den 13.01.25. Hatte…
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Der Briefträger brachte meine Filme zurück, leider war es nicht ausreichend frankiert. Im Hinterkopf habe ich bis heute, dass auch der letzte Versuch so frankiert war, wahrscheinlich habe ich es aber falsch abgespeichert.
Kaum habe ich den Umschlag aus dem Briefkasten geholt, wurde er neu eingetütet, neu frankiert und ein Briefkasten gesucht, der am selben Tag noch geleert wird. 25 min Zeit blieben mir, also ab ins Auto und los.
Am Kasten angekommen die nächste Ernüchterung: Leerung Samstags um 11:30. Dafür war ich fast 1,5h zu spät, aber ich fügte mich diesem Schicksal.
Die vereinfachte Sendungsverfolgung offenbarte dann, dass der Brief am Sonntag doch schon in Düsseldorf durch den Scanner lief, also ausnahmsweise war die Leerungszeit mal ein Fehler zu meinen Gunsten.
Der Glücksritter
Ob ich nun glücklich in Analogistan angekommen bin, das weiß ich noch nicht.
Noch hoffe ich auf das Happy End, den Ausgang werdet ihr hier definitiv erfahren!
Da ich wohl als Glücksritter in dieses Abenteuer gestartet bin sind bereits neue Filme auf dem Weg. Denn Spaß gemacht hat es bis jetzt trotz aller Rückschläge!
Stay tuned!
5 comments
Comment by Michael Koopmann
Michael Koopmann 13. Januar 2025 at 16:42
Oh man. Wieviel Pech kann man habe 🫣. Ich hatte Analog auch mein Pech und hab es recht schnell drangegeben. Glückwunsch das du es bis hierhin durchgehalten hast und ich bin jetzt echt auf die Ergebnisse gespannt.
Danke dir fürs teilen deiner Pleiten, Pech und Pannen Show. 🙂
Comment by Stefan
Stefan 14. Januar 2025 at 15:36
Danke, Michael!
Es wird ein Update geben! 🙂
Ich hoffe das wird dann ohne Pleiten, Pech und Pannen ablaufen 🙂
Comment by oli
oli 13. Januar 2025 at 20:13
Spannende Geschichte. Ich habe hier auch ein Erbstück (Canon A1) und die Kamera aus meiner Foto-AG zu Schulzeiten (Minolta X700) liegen und bekomme meinen Hintern für analoge Fotos nicht hoch. Abgesehen von der Motivwahl versuche ich gerade noch einen pragmatischen Scan-Prozess zu identifizieren, SW Entwicklung würde ich tatsächlich gerne selbst in der Waschküche machen.
Ich wünsche dir noch ein paar spannende Filme und immer „gut Licht“.
vg, oli
Comment by Stefan
Stefan 14. Januar 2025 at 15:35
Hey Oli,
danke für deinen Kommentar!
Ich habe ja auch sehr, sehr lange „rumgelungert“ bis ich denn den Hintern hochbekommen habe. Ich hätte auch nicht erwartet, dass mir das einen solchen Spaß bereitet. Die Frage ist, wieviel bleibt davon übrig, wenn ich die ersten Ergebnisse sehe :O
Von der eigenen Entwicklung bin ich noch sehr weit entfernt – ich glaube nach dem bisherigen Weg werde ich auch erstmal die Finger davon lassen. Wer weiß was mir blüht, wenn ich hier zu Hause noch mit Chemikalien hantiere…
Viele Grüße
Stefan
Comment by Aurelia
Aurelia 7. Februar 2025 at 10:50
Moin Stefan 🙂
das ist ja nen Ding, die Pentax ME habe ich auch, hat mein Paps mir vermacht. Einen Film hab ich bisher auch mit ihr geschossen, aber er liegt hier immer noch und wartet, dass ich ihn denn mal zum entwickeln bringe, oder es doch selbst mache (das ist so ein Traum von mir seit Jahren, nur die Zutaten fehlen immer noch /o\) Zumindest weiß ich noch was ich drauf habe auf dem Film *lach… es sind Bilder von der Einlaufparade der Sail 2015 *gg… sollte ich wohl mal langsam doch entwickeln lassen, sonst wird mein Enkelsohn den irgendwann hier finden *lach…
Na mal schauen, wann ich es gebacken kriege.
Zumindest hatte ich beim Spulen keine Malesche, ich wusste es zum Glück noch mit dem kleinen Rückspulknopf 😛
Schöner Bericht, danke fürs teilen.
Liebe Grüße
Aurelia